Innehalten

Zwischendurch ist es gut, innezuhalten. Einen Ruhepunkt in der Hektik des Alltags zu finden. Ein Buch kann dabei helfen. Und wenn das Buch Anregungen gibt zum bewussten Dasein, umso besser.

Der Reiseführerautor und Esskritiker Wolfgang Abel, zugleich Inhaber des Oase-Verlags, gibt mit seinem Buch Badische Küchenkunde mehrfach Anlass zum Innehalten. Er beschreibt sehr schön den Weg zurück zum Ursprünglichen, Einfachen, aber mit einem durchaus elitären, kompromisslosen Anspruch an die Qualität der Grundnahrungsmittel. Wer in diesem Buch blättert, wird vielleicht die „Denke“ entdecken, die es mir angetan hat.

In bisher keinem mir bekannten Kochbuch wird die wichtigste Zutat von jedem Essen beschrieben: TLC (tender loving care). Egal, was mit TLC zubereitet wird, das Resultat ist Balsam für die Seele.

Ja, die Lektüre eines guten Buchs, das Verzehren einer kleinen, einfachen Mahlzeit, wo alles stimmt – all das gehört zu den kleinen Glücksmomenten, die das Leben so unendlich wertvoll machen.

Zitat aus dem Buch, unter dem Titel „KLINISCH KOCHEN“:

„Klinische Küche macht höchstens satt, aber nicht zufrieden.

Die klinisch saubere Edelstahlküche mit Dampfgarer und digitaler Temperaturanzeige ist das Gegenteil jener Mamaküchen, in der bleibende Geschmacksbilder entstehen. Auch die Menüs vieler Sterneköche sind in diesem Sinne klinisch. Ihre Teller mit apart nebeneinandergesetzten Komponenten wirken exakt, aber isoliert und so seltsam beziehungslos wie die Klientel:

Entwurzeltes Scheckkartenpublikum, das über Geld, Langeweile und Stoffwechselprobleme verfügt.

Fadheit, artifizielle Optik, die Ausrottung von Krusten und Fettschichten, die weltweite Verwendung von kalibrierten Filets und Luxusprodukten, das putzige Schnitz-Gemüse – alles weist in eine Richtung: Das Abschaffen iles Kochens als sinnlicher Vorgang zugunsten einer klar planbaren Dienstleistung. Zu recht hat PETER KUBELKA, Professor für Film und Kochen in Frankfurt, darauf verwiesen, dass ein grosser Koch heute eher etwas mit einem General gemein hat. Er muss „logistisch talentiert sein, große Truppen bewegen können, den Nachschub planen”. Entsprechend kampfbetont wirken denn auch die Darbietungen dieser Männerküche, die nach Schlachtplan abläuft, in der Emotionales keinen Platz hat, es sei denn als Wutausbruch. Die persönliche Auswahl von Lebensmitteln, langwierige, gar riskante Zubereitung, alles Sinnliche wird als lästiger Störfaktor begriffen.

In Mamas Küche lernt man dagegen aromatisch hassen und lieben, man erfährt, wie schmal der Raum dazwischen sein kann und begreift, dass Vorlieben mit der Zeit gehen. Auch aus Ablehnung kann bekanntlich Freundschaft werden – wie im Falle von Leber, Spinat & Co. In einer klinischen Küche wirkt dagegen schon der Glöckchenschlag der Mikrowelle wie ein letzter emotionaler Rest. Zufriedenheit entsteht in solcher Umgebung nicht; das jojohafte Auf und Ab von Imponiermenü und Blitzdiät müsste eigentlich allen klinisch Kochenden Warnung genug sein.

Aber dann passt doch alles zusammen: Die keimfreien »Turboküchen« von heute folgen der Logik von Geländewagen. Und mit dem fährt man ja auch nicht auf den Acker zum Kartoffeln rausmachen, sondern in den SB-Markt zum Kühltruhen leeren.“

An anderem Ort hat Wolfgang Abel beschrieben, dass der Deutsche der Auswahl des Motorenöls für sein Auto mehr Aufmerksamkeit widmet als der Auswahl seiner Speiseöle. Ich fürchte, dass Herr Abel Recht behalten sollte…

(17.07.2007)