Mit Liebe zur Sache

Der libanesische Maler, Philosoph und Dichter Khalil Gibran (1883-1931) schrieb in seinem Werk „Der Prophet“ ein Kapitel „Von der Arbeit“, das ich auszugsweise hier veröffentlichen möchte:

Ein Landmann sagte: Sprich uns von der Arbeit

Und der Prophet antwortet und sagte: Ihr arbeitet, um mit der Erde und der Seele der Erde Schritt zu halten.

Und alle Arbeit ist leer, wenn die Liebe fehlt; und wenn ihr mit Liebe arbeitet, bindet ihr euch an euch selber und an einander und an Gott. Und was heißt, mit Liebe arbeiten?

Es heißt, das Tuch mit Fäden weben, die aus euren Herzen gezogen sind, als solle euer Geliebter dieses Tuch tragen. Es heißt, ein Haus mit Zuneigung bauen, als solle eure Geliebte in dem Haus wohnen. Es heißt, den Samen mit Zärtlichkeit säen und die Ernte mit Freude einbringen, als solle euer Geliebter die Frucht essen. Es heißt, allen Dingen, die ihr macht, einen Hauch eures Geistes einflößen.

Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe.

Und wenn ihr nicht mit Liebe, sondern nur mit Widerwillen arbeiten könnt, lasst besser eure Arbeit und setzt euch ans Tor des Tempels und nehmt Almosen von denen, die mit Freude arbeiten.

Denn wenn ihr mit Gleichgültigkeit Brot backt, backt ihr ein bitteres Brot, das nicht einmal den halben Hunger des Menschen stillt. Und wenn ihr die Trauben mit Widerwillen keltert, träufelt eure Abneigung ein Gift in den Wein. Und auch wenn ihr wie Engel singt und das Singen nicht liebt, macht ihr die Ohren der Menschen taub für die Stimmen des Tages und die Stimmen der Nacht.

Diese Geschichte kam mir neulich in den Sinn, als ich über Begegnungen aus jüngerer Zeit nachgedacht habe. Ich bin davon überzeugt, dass man am Ergebnis einer Arbeit spürt, ob sie mit Liebe zur Sache ausgeübt worden ist. Ganz unmittelbar wahrnehmbar ist dies beim Kochen und Backen.

(17.11.2007)